"Digitalisieren ist mehr als Elektrifizierung!"

Dr. David Saive ist Jurist, Strategieberater und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Recht der Informationsgesellschaft (ZRI) der Universität Oldenburg. In seinen Vorlesungen an der DAV sensibilisiert er für die rechtlichen Herausforderungen bei der Digitalisierung logistischer Prozesse. Und was heißt das genau?

Die Digitalisierung logistischer Prozesse birgt nicht einfach nur technische, sondern erst einmal viele juristische Herausforderungen: "Die beste Software und das spannendste Digitalisierungsprojekt sind nutzlos, wenn sich herausstellt, dass sie rechtlich nicht zulässig sind", erklärt Dr. David Saive. "Preisabsprachen sind beispielsweise noch lange nicht legal, nur weil sie auf auf einer digitalen Plattform passieren. Es gibt keine rechtsfreien Räume."

Digitalisierung sei eben mehr als Elektrifizierung: "Das Digitale kann gegenüber dem Analogen von ganz neuen Rechtsgebieten betroffen sein", so Saive. "Das Recht der elektronischen Signaturen und Unterschriften spielt beispielsweise keine Rolle, wenn man alles auf Papier unterschreibt."

Neuer Studiengang Digital Supply Chain Management

Saive ist eine von vielen Lehrkräften aus Forschung und Praxis, die ihre Erfahrungen aus dem Berufsalltag vermitteln und damit die Studierenden an der DAV Bremen darin unterstützen, den operativen Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Im neuen Studiengang Digital Supply Chain Management analysiert er mit seinen Studentinnen und Studenten die Geschäftsmodelle aller Akteure im Außenhandel vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Saive selbst hat an der Uni Hamburg Maritimes Wirtschaftsrecht studiert, dann in einer seerechtlichen Kanzlei gearbeitet und seine Doktorarbeit zur Digitalisierung des Konnossements geschrieben. "Bei diesem Warenwertpapier der Seefracht gibt es schon seit 25 Jahren technische Lösungen, mit denen man die elektronische Haltung von Daten einer Ladung online abbilden kann. Sie konnten sich aber im Markt nicht durchsetzen, weil sie nicht die entsprechende Rechtssicherheit bieten", so der Experte.

Sensibilität der Mitarbeiter ist gefragt

Damit Logistikerinnen und Logistiker solche Probleme bei der Digitalisierung ihrer Prozesse nicht haben, nutzt David Saive die Chance, den Nachwuchs über das Thema aufzuklären. Die Mitarbeitenden im Unternehmen müssten dafür sensibilisiert sein, dass gewisse Prozesse möglicherweise juristisch schwierig sind: "Aber um dieses Gefühl zu entwickeln, muss man wissen, dass es überhaupt gesetzliche Vorgaben gibt. Besonders vorsichtig sollte man bei neuen Technologien sein: Blockchain und Co. verleiten dazu, dass man einen passenden Use Case dafür sucht. Man sollte jedoch bei einem Use Case prüfen, welche die passende Technologie ist - und dabei spielen auch rechtliche Risiken eine Rolle."

Prozesse werden beschleunigt

Saive betont, dass Juristen wie er keineswegs die Digitalisierung ausbremsen, wenn sie bei einer Innovation vor den möglichen Risiken warnen: "Man sollte es lieber so sehen: Wir helfen zu vermeiden, dass Ressourcen in die Entwicklung einer Idee investiert werden und diese sich erst am Ende als nicht haltbar entpuppt." Er plädiert dafür, in jeder Ausschreibung für ein Digitalisierungsprojekt von Anfang an eine juristische Beratung zu berücksichtigen: "Juristische Anforderungen sollten genauso behandelt werden wie funktionale. Ideal ist beispielsweise, wenn man aus dem Prozess ein Lastenheft oder Produkt-Backlog entwickelt und das dann zur Implementierung freigibt - am besten in einem agilen Entwicklungsprozess, bei dem man Zwischenschritte mit dem Legal-Team durchspricht. Wenn das Produkt dann fertig ist, ist es auch direkt juristisch einsatzbereit, die Prozesse werden also deutlich beschleunigt." (Quelle: BVL Magazin, Ausgabe 01/2022)

 

Das neue Digitalisierungs-Studium "Digital Supply Chain Management" bildet für die Schnittstelle zwischen Logistik und IT aus und startet am 2. April 2022. Mehr Infos hier.

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